Edwin Scharff

Männer im Boot, 1952/69

Die Plastik „Männer im Boot“ des aus Neu-Ulm stammenden Bildhauers Edwin Scharff hat den Charakter eines Wahrzeichens für den Platz vor dem 1953 fertiggestellten Neu-Ulmer Rathaus. In beträchtlicher Höhe in einem kleinen Boot postiert, zieht die Gruppe aus drei dicht hintereinander gestaffelten Männern den Blick auf sich. Auf dem vorn aufragenden Boot stehen alle drei aufrecht, aber dabei in leicht zunehmender Rücklage. Sie halten ihre Stangen mit der linken Hand hoch über dem Kopf fest, um sie vor der rechten Schulter und entlang des Körpers mit der Rechten von außen an die Bootswand zu halten. Es scheint, als staken sie in einem nicht sichtbaren Wasser.
Scharffs posthum realisierte Plastik ist nur halb so groß wie die ursprünglich geplante Version. Der Künstler hatte sie für eine neu anzulegende, geschwungene Landzunge zur Binnenalster hin im zentralen Bereich des Jungfernstiegs in Hamburg vorgesehen. Dort sollte sie – als begrüßendes Wahrzeichen der Hansestadt – auch vom Wasser aus weithin sichtbar sein. Von der Gesamtplanung Anfang der 1950er-Jahre wurde jedoch nur der parallel dazu konzipierte Alsterpavillon realisiert. Scharff starb bereits 1955, ohne die Arbeit in der großen Dimension beenden zu können. Die bereits fertiggestellte Plastik in kleinerem Maßstab fand einen Platz an der Außenalster. Die Version in Neu-Ulm wurde als Zweitguss 1969 zum 100sten Geburtstag der Stadt aufgestellt. Der Sockel mit dem herabfließenden Wasser wurde um 1974 vom Neu-Ulmer Bildhauer Hans Bühler neu gestaltet.

Ergänzung

Das Motiv der drei Männer im Boot beschäftigte Edwin Scharff immer wieder. Es zeigt sie in wechselnden Haltungen, stehend und sitzend. Bereits 1917 widmete er dieser Bildidee eine Zeichnung. Seit 1927 stellvertretender Vorsitzender des deutschen Künstlerbundes, nutzte er das Motiv 1929 für das Logo, welches für diesen Verband bis zum heutigen Tag Verwendung findet. Hier sollten damit die Kunstgattungen Architektur, Malerei und Bildhauerei veranschaulicht werden. Einer der drei Männer kauert in dieser Version des Motivs jedoch am Boden des Boots und nutzt das Ruder als Steuer. Der realisierten Bronzeversion in Hamburg und Neu-Ulm gingen noch weitere Studien voraus. Eine davon ist vor dem Edwin-Scharff-Haus zu sehen.

Kommentar

Ein Blick auf die Details und der Vergleich mit Scharffs Studie, dem sogenannten Fragment, zeigen, was ihm wichtig war: Der wie ein Amboss wirkende Bronzesockel, auf welchem das Boot quer aufsetzt, der linke Fuß des dritten Mannes, der auf einem kleinen, über den Bootsrand ragenden Steg steht, zeigen, wie fragil das gewonnene Gleichgewicht ist. Die langen Stangen ragen durch die eigentümliche Geste der drei hoch auf und sorgen gleichzeitig an ihrem unteren Ende wie ein Hilfsmittel, um die schwierige Balance zu halten. Das ausdruckstarke Bildmotiv der drei Männer im Boot passt zum jetzigen Aufstellungsort in luftiger Höhe ebenso wie zum ursprünglich geplanten. Die kraftvollen Männer zeigen sich einig in ihrer Bewegung und in ihrem Ziel. Das im Verhältnis zu ihnen sehr kleine Boot dürfte sie auch dazu zwingen, sich einig zu sein.

Impuls

Das Ulmer Fischerstechen gab es natürlich bereits, als Edwin Scharff seine signifikante Skulptur schuf. Aber wie steht es mit dem Gleichgewicht von gleich drei Männern? Könnte man die Situation nachstellen, und wie lange würde das wohl gut gehen? (Stand-up-Paddeln war um 1950 noch nicht in Mode.)

Zweiter Blick

Die Männer im Boot auf dem Neu-Ulmer Rathausplatz