Edwin Scharff
Fragment zu Männer im Boot, 1952/53
Männer im Boot: Dieses Thema hat den aus Neu-Ulm stammenden Bildhauer und Maler Edwin Scharff in sehr verschiedenen Phasen seines künstlerischen Schaffens beschäftigt. Anfang der 1950er-Jahre stand sein bisher größtes bildhauerisches Projekt an: Für den prominenten Jungfernstieg an der Binnenalster in Hamburg wollte er eine monumentale Gruppe mit drei stehenden Männern im Boot realisieren. Für diese Aufgabe hat er gezielt an verschiedenen Details dieses vertrauten Motivs gearbeitet. Das sogenannte „Fragment“ vor dem Edwin-Scharff-Haus entstand in diesem Zusammenhang und beschäftigt sich mit speziellen bildhauerischen Fragen dieses großen Auftrags.
Die Plastik vor dem Edwin-Scharff-Haus zeigt, was genau ihn an der Gruppe der drei Männer beschäftigt hat. Wie kann man die drei Männergestalten so staffeln, dass sie erkennbar einzelne Figuren sind und gleichzeitig eine zusammenhängende, geschlossene Form erhalten? Für diese spezielle Frage erscheinen die weiteren Elemente wie die Ruderstangen, das Boot oder auch Arme der Männer offensichtlich weniger zentral. Die schräg verlaufende kleine Plinthe, auf welcher die Figuren stehen, erzeugt für die Gruppe ein dynamisches Moment. Die Männer stemmen sich gegen die schiefe Ebene, ihr Gleichgewicht entsteht nicht ohne Kraftaufwand.
Eine solche sorgfältige Studie lässt sich durch den vorgeschlagenen, prominenten Aufstellungsort erklären. Bei einem Bild, in welchem es um die Idee einer Gemeinschaft, der daraus entstehenden solidarischen Kraft und ihrem einvernehmlichen Handeln geht, kommt es auf genau die in diesem Fragment studierten Eigenschaften an. Ahnt man bereits in diesem zentralen Detail der späteren Plastik die Kraft, die nötig ist, um sich aufrecht und im Gleichgewicht zu halten – auch ohne Boot, ohne Ruderstangen?
Ein Blick auf die fragmentiert belassenen Stellen lässt fragen: Vermisst man eigentlich die Arme der Männer – oder den Grund, warum sie auf einem derart schräg verlaufenden Sockel stehen? Hätte die geplante Großskulptur von diesen Überlegungen ausgehend auch eine andere Endfassung bekommen können – etwa eine noch stärker reduzierte Form?
Die Rückenpartie des Fragments: Bemerkenswerterweise lässt Scharff hier die Elemente offen zutage treten, aus denen die Skulptur "gebaut" ist.