Edwin Scharff
Mutter mit Kindern und Lamm, 1954/67
Das Bild des Menschen stand immer im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens von Edwin Scharff. Die Figur der Mutter mit Kind hat ihn besonders beschäftigt – in immer wieder unterschiedlichen Konstellationen. Als öffentlichen Auftrag für die Gesundheitsbehörde in Hamburg schuf der Bildhauer 1953 das Steinrelief „Mutter mit Kindern und Lamm“. An einer Außenwand angebracht, zeigt es die Mutter im antiken Gewand, ein Kleinkind auf dem Arm und ein weiteres Kind davorstehend, das die Hände zur Mutter hin hochhebt. Vor der Gruppe lagert ein Lamm. Das Relief hat Scharff vor einen flachen Hintergrund aus dem gleichen Stein-Material gesetzt. In knappem Abstand umrahmt er die Figurengruppe rechtwinklig und bietet für das Lamm eine eigene Ausbuchtung.
Ein Bronzerelief desselben Motivs entstand 1954 in leicht verkleinertem Maßstab, im Auftrag der Gesandtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Es war als Geschenk für Südafrika, als „Dankesspende des Deutschen Volkes“ vorgesehen und wurde in Pretoria aufgestellt. In Neu-Ulm sieht man einen Zweitguss aus dem Jahr 1967. Auch wenn die Anlage der Figurengruppe identisch ist, hat Scharff die Besonderheiten des anderen Materials genutzt. Im Gegensatz zum Steinrelief weist Bronze als gegossenes Material eine geschlossene Oberfläche auf. Zudem bringt die gezielt eingesetzte oder im Laufe der Zeit entstehende Patinierung Farbwirkungen zum Tragen.
Man sollte sich die Gruppe eine Weile in Ruhe ansehen. Über das genrehafte, fast idyllische Motiv von Mutter und Kindern hinaus erschließen sich die Feinheiten und Bedeutungsebenen des Reliefs erst allmählich. Scharff staffelt die Gruppe von vorne nach hinten und betont so die zentrale Rolle der Mutter. Beide Kinder blicken sie an; auch das vor ihr lagernde Lamm scheint ihre Nähe und ihren Schutz zu suchen. Das antike Gewand verleiht der Mutter ein zeitloses Aussehen. Als einzige Figur in dieser Gruppe nimmt die Mutter einen Blickbezug zum Betrachter auf. Dabei ist auch die Platzierung des Reliefs von Belang, denn die Betrachter betreten öffentliche Gebäude, sei es die Hamburger Gesundheitsbehörde oder das Rathaus in Neu-Ulm. Man kann das Relief als eine Hommage an alle Mütter sehen und an ihre zentrale gesellschaftliche Rolle.
Wie tief ist das Relief wirklich – und wo setzt Scharff seine bildnerischen Mittel ein, um räumliche Tiefe zu erzeugen?
Positionierung am Neu-Ulmer Rathaus