Günther Späth

Portalreliefs der Petruskirche, 1972

Türen und Portale sind nicht nur für Kirchen wichtig: Von hier nimmt ein Besucher den Innenraum erstmals wahr, von hier aus betritt er das Innere, hier findet eine erste Orientierung statt. Günther Späth, der in Neu-Ulm sein Atelier hatte, schuf die Portalgestaltungen für die Neu-Ulmer Petruskirche. Er nutzte die Freiheit, die das bildnerische Denken für diese Gestaltungen haben kann. Der Formenkanon ist hier keineswegs so festgelegt wie beispielsweise für Altäre, Taufsteine oder Kanzeln. Von der im linken Portal dargestellten Übergabe des Schlüssels an Petrus zur ungewöhnlichen Gestaltung beider Portalgriffe kann man eine Verbindung sehen: Petrus steht in vielen traditionellen Darstellungen an der Pforte zum Himmel und hütet dieses Portal. Späth schafft hier unerwartete Bezüge: In Neu-Ulm müssen Besucher diese Griffe selbst anfassen und nutzen.

Ergänzung

Günther Späth hat häufig für Kirchen gearbeitet. An der Ulmer Lutherkirche ist ein Relief von ihm zu sehen, an der Andreaskirche in Ludwigsfeld starkfarbige, in Beton eingelassene Hinterglasbilder und ein beeindruckendes Außenrelief. Auch seine Arbeiten für die Petruskirche in Neu-Ulm sind eine genaue Betrachtung wert. In einer intensiven Auseinandersetzung mit der biblischen Geschichte findet Späth Bildformen auch außerhalb der üblichen Motive und ihrer Traditionen. Die rechte Portaltür stellt das Wirken von Petrus als Apostel in den Mittelpunkt. Man sieht ihn als Verkünder des Evangeliums; rechts zeigt Späths Relief eine in der Apostelgeschichte 10 erwähnte Vision des Apostels: Ihm werden die als Nahrung erlaubten Tiere gezeigt. Das linke Portal widmet sich den Petrusgeschichten der Evangelien. Den unerwartet erfolgreichen Fang des Fischers Petrus kann man in der Mitte sehen. Links zeigt ein kleines Bildfeld die Übergabe der Himmelsschlüssel und den Felsen („Petrus“), auf dem die christliche Kirche gegründet werden soll. Auf der röhrenartigen Mittelachse signalisiert der Hahn die dreifache Verleugnung. Den Mittelpunkt dieser Achse im Bereich der Querstrebe oben markiert ein kleines, kreuzförmiges Loch. Späth hat es so gestaltet, dass es an ein Einschussloch erinnert.

Kommentar

Über Jahrhunderte hinweg war die Kirche Hauptauftraggeber für Künstlerinnen und Künstler – und diese haben in ihren Werken immer wieder eine eigene Sicht mit den von der Kirche gewünschten religiösen Inhalten verbunden. Für Späth, der im Zweiten Weltkrieg den linken Arm verlor und der deshalb den Traum von einer Arbeit als Kirchenmusiker nicht verwirklichen konnte, bot die bildende Kunst Gelegenheit, sein erzählerisches und auch religiös deutendes Talent einzusetzen. Dennoch sollten Verbindungen zwischen seinem eigenen Schicksal und den gebrochenen Formen in seinem Relief keine zwangsläufige Folge für Interpretationen sein. Im Gegenteil: Viele der in seinen Betonreliefs oder den Glasbildern gefundenen Lösungen gehen auf die intensive Beschäftigung mit den Eigenheiten und Möglichkeiten zurück, die das Material ihm bietet. Die Röhrenform im Bronzeportal der Petruskirche ist ein gutes Beispiel hierfür. Man kann den Charakter des metallenen Materials gerade an den Stellen gut nachvollziehen, wo es sich verbiegt oder aufgebrochen ist. Späths Werke bekommen nicht zuletzt durch diese Auseinandersetzung mit dem Material ihre Authentizität für den künstlerischen Prozess und ihre Glaubwürdigkeit für die religiösen Bildgegenstände.

Impuls

Weshalb hat in Späths Relief eigentlich ein Fisch jeweils immer einen weiteren Fisch in seinem Bauch? Wie fühlt es sich an und was bedeutet es, wenn man den als Baum oder als Welle ausgeformten Türgriff benutzt?

Zweiter Blick

Detail: Kreuz oder Einschuss?

Seitenblick

Über die Geschichte der Petruskirche informiert eine Info-Stele der "Stadtgeschichten Neu-Ulm".