Dominikus Böhm

Kirche St. Johann Baptist, 1923/27

„Ich baue, was ich glaube.“ So schrieb es Dominikus Böhm in der Erläuterung seines Plans für die Kirche St. Johann Baptist in Neu-Ulm. Böhm war ein Verfechter der liturgischen Bewegung. Er begriff zeitgenössisches Bauen in engem Zusammenhang mit kirchlichen Handlungen – und bewusst nicht als Traditionspflege. Die zwischen 1922 und 1926 entstandene Kirche ist ein Umbau der vorher hier befindlichen neoromanischen Kirche des Architekten Georg Freiherr von Stengel. Böhm schuf zunächst die blockhafte Westfassade zur Augsburger Straße hin – und sah ihre Drei-Portal-Fassade als ein Gegengewicht zum Ulmer Münster. In einer zweiten Bauphase, nach 1926, gestaltete er den Kirchenraum aus. Aus dieser Zeit stammt die Gesamtanlage mit den bemerkenswerten Seitenkapellen, den je unterschiedlichen Gewölben und schräg gestaffelten Pfeilern, und den durchfensterten Seitenwände des Kirchenschiffs.

Zur heutigen Form kam sie nach dem Zweiten Weltkrieg, als Böhm die niedergebrannte Kirche wiederum umgestaltete, die Fensterbreite der Seitenschiffe vergrößerte und das waffelartige Gewölbe vor allem in den Seitenschiffen vereinfachte. Fachleute zählen St. Johann Baptist wegen seiner Lichtführung und den als „Erlebnisräumen“ gestalteten Seitenkapellen zu den bedeutendsten Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts in expressionistischem Stil.

Ergänzung

Dominikus Böhm hat seine Kollegen aus der Kölner Werkschule am Bau beteiligt. Das Altarretabel von Hans Wissel ist leider verloren gegangen, zerstört sind die originalen Kirchenfenster von Johann Thorn-Prikker aus den 1920er-Jahren. Die heutige Innenausstattung mit den Onyx-Fenstern hat Reinhold Alexander Grübl entworfen; der Glasgestalter Johann Brunner hat sie ausgeführt. Die Skulptur vor der Kirche stammt aus der Erbauungszeit und wurde von Fritz Müller-Kamphausen gestaltet.

Kommentar

Bemerkenswert ist, wie Dominikus Böhm das Erlebnis des Kirchenraums inszenierte. Hinter dem repräsentativ aufragenden Westwerk mit den hohen Portalen schuf er vergleichsweise niedrige und dunkle Eingangsbereiche. Von ihnen aus öffnet sich das Kirchenschiff als eine Staffelung von seitlichen Raumöffnungen für das einfallende Licht. Schräg gestellte Wandstücke und die ebenfalls schräg gestellten Pfeiler zum Mittelschiff geben dem Raum eine dynamische Richtung zum Altar hin. Der gesamte Raumeindruck drängt zur Chorapsis mit ihren als Gewölbe auslaufenden Wandrippen. Sie liegt im Blickpunkt des Raums und ist heute durch die Onyx-Fenster hell erleuchtet. Böhm gelingt etwas Einzigartiges: mit den schräg gestellten Wandstücken und dem Gewölbe nutzt er Licht gewissermaßen als plastisches Material. Seine neue und expressive Formensprache zielt auf das Erlebnis des Kirchenraums. Die kontrastreiche Balance zwischen Licht und Elementen der Architektur wie Wand oder Gewölbe ist prägend für den Kirchenbau insbesondere der Nachkriegszeit.

Impuls

Man sollte die Kirche auf jeden Fall einmal auch von außen umrunden, bevor man sie betritt. Lassen sich Verbindungen zu romanischen, gotischen oder barocken Gestaltungen von Kirchen herstellen? Wo bricht Böhm mit üblichen Traditionen des Kirchenbaus? Wo entwickelt er sie weiter?

Zweiter Blick

Auferstehungskapelle

Paul Böhm zur Kirche St. Johann Baptist

Paul Böhm ist der Enkel von Dominikus Böhm und selbst ein renommierter Architekt und Stadtplaner. Er äußert sich zur Gestaltung des Johannesplatzes.

Zur Architektur von St. Johann Baptist

St. Johann Baptist - ein Mittelpunkt?

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