Wenn ein Ort wohlvertraut ist, eignet er sich gut für einen Spaziergang. Kein Stress mit der Orientierung; man kann den Blick schweifen lassen. Für die Spaziergangswissenschaften ist das tatsächlich auch Methode. Es geht darum, die eigene Wahrnehmung wirklich offen zu halten und nicht von Gewohnheiten oder Erwartungen leiten zu lassen. Das ist auch für andere Wissenschaften interessant, in denen klare Vorhaben und zielgerichtete Handlungsweisen die eigene Wahrnehmung und Erkenntnisfähigkeit leiten.

Kunstwerke für den öffentlichen Raum wurden schon immer geschaffen, beispielhaft vom aus Neu-Ulm stammenden Edwin Scharff. Oftmals geht den Skulpturen oder temporären Interventionen eine genaue Analyse der jeweiligen Situationen voraus. Dabei sind Faktoren, die zum Stadtbild beitragen längst nicht mehr nur Menschen, Gebäude, Plätze, Stadtgrün und Straßen allein. Insbesondere der Straßenverkehr oder die Reklame sind heute prägende Faktoren. Es ist komplizierter geworden, sich mit dem Wesen von Städten zu beschäftigen. Die ungewöhnlichen Perspektiven und das Einfühlungsvermögen erfahrener Künstlerinnen und Künstler können dabei helfen, die Stadt neu zu sehen.

In Neu-Ulm gibt es vieles zu entdecken. Natürlich sind die Reste der Festungsanlagen oder der großartige expressionistische Kirchenbau von St. Johann Baptist etwas Besonderes - nicht nur für Kenner. Aber die Stadt ist weder Großstadt noch ländlicher Raum und auch kein ausgesprochenes Touristenziel. Das Leben vollzieht sich hier viel "normaler" als anderswo. Wer sich hier auf Neuentdeckungen einlässt, der wird sie machen können.